Heute brechen wir auf nach Saarbrücken, denn einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts gibt sich die Ehre in der ausverkauften Saarlandhalle: niemand Geringeres als Robert Allen Zimmerman, besser bekannt als Bob Dylan. Seine Karriere erstreckt sich nunmehr über mehr als 60 Jahre, und ihre Anfänge liegen in der Mitte der 60er Jahre. Nach ersten Erfolgen im Folk wandte er sich nur wenige Jahre später der Rockmusik zu, der er bis heute treu geblieben ist.
Die Saarlandhalle hat Platz für bis zu 5.500 Besucher, doch heute ist der Innenraum mit Stühlen bestückt, sodass gut 4.800 Fans das Konzert von Bob Dylan beiwohnen können. Die etwas in die Jahre gekommene Location öffnete erstmals 1967 ihre Türen für Veranstaltungen. Wer hätte gedacht, dass die Saarlandhalle schon so alt ist?
Seitlich der Halle stehen vier große Nightliner-Busse, die vermutlich die Band und Crew von Dylan von Stadt zu Stadt befördern. Dylan selbst soll zwar auch in diesen Bussen reisen, sich jedoch meistens tagsüber in einem nahegelegenen Hotel seiner Wahl aufhalten. Trotz seines Alters von 83 Jahren (geb. 24.05.1941) tourt Bob Dylan weiterhin um die Welt – zum Glück hat der Altmeister ans Aufhören noch nicht gedacht!
Wer heutzutage ein Dylan-Konzert besucht, muss sich darauf einstellen, auf sein Handy verzichten zu müssen. Der Künstler möchte vermeiden, dass Bilder, Ton- oder Videoaufnahmen von seinen Konzerten verbreitet werden. Zudem lädt er sein Publikum ein, für zwei Stunden alle Einflüsse des Alltags hinter sich zu lassen und sich ganz auf die Musik einzulassen. Man kann sein Handy zu Hause lassen oder erhält in der Halle eine kleine, mit Magneten gesicherte Tasche, in der man während des Konzerts sein Handy verstauen kann. Es fühlt sich anfangs komisch an, das Handy nicht benutzen zu dürfen, aber ein außergewöhnlicher Abend mit einem außergewöhnlichen Künstler verlangt nach außergewöhnlichen Rahmenbedingungen. Also packen wir unsere Handys ein und machen mit.
Um 20:00 Uhr kommt die Band zusammen mit Bob Dylan auf die Bühne. Die vierköpfige Band besteht aus den beiden langjährigen Weggefährten Tony Garnier (Bassgitarre, Kontrabass) und Jim Keltner (Schlagzeug), die beide seit Jahrzehnten mit Bob Dylan touren und ihm musikalisch den Rücken stärken. Dazu kommen zwei Gitarristen, die jede Regung und Anmerkung von Dylan mit beeindruckender Präzision umsetzen. Wer mit einem musikalischen Genie wie ihm spielt, muss etwas draufhaben – und das tun sie alle.
Dylan, gekleidet in einem traditionellen schwarzen Western-Outfit und weißen Schuhen, ohne Hut, betritt die Bühne unter tosendem Beifall. Er setzt sich zuerst mit seiner Gitarre hinter den schwarzen Flügel, der zentral auf der Bühne steht. Dann dreht er sich um und singt die ersten Worte von „All Along the Watchtower“. Das Publikum reagiert mit wilder Ekstase und feiert ihr musikalisches Idol, als hätte dieser schon Stunden gespielt. Danach folgen „It Ain’t Me, Babe“ und „I Contain Multitudes“. Der Beifall lässt nicht nach; das Publikum zelebriert jede Note und feiert jedes noch so kleine Mundharmonika-Solo von Dylan.
Manchmal steht die Ikone auf, bewegt sich vor dem Flügel und geht ein paar Schritte über die Bühne. Zwischen den Songs nuschelt er etwas in sein Mikrofon und stimmt den nächsten Song an. Weitere Highlights des Abends sind „Desolation Row“, „It’s All Over Now, Baby Blue“ und „Watching the River Flow“. Auch wenn die Songs größtenteils anders klingen als auf den Platten, kommen die „Neuschöpfungen“ von Dylan und seiner Band beim Publikum hervorragend an. Man hat fast das Gefühl, es würde ausreichen, wenn Dylan einfach auf der Bühne sitzen und in den Raum schauen würde – denn viele Fans im Saal geraten in Ekstase, selbst wenn Dylan nur die Hand hebt oder einen weiteren Song ansagt.
Wir freuen uns über jeden weiteren Song, sind jedoch beim Zelebrieren etwas zurückhaltender. Aber zum Glück spielt Dylan den ganzen Abend durchweg Musik, und das ist auch gut so. Die wenigen Worte, die er an sein Publikum richtet, werden mit Standing Ovations belohnt. Viele Fans befürchten offenbar, dass dies eines der letzten Konzerte auf europäischem Boden sein könnte, wenn man nur das Alter in Betracht zieht. So möchten sie ihrem musikalischen Idol mit ihren Reaktionen zeigen, wie wichtig seine Musik für ihr Leben ist. Umso schöner ist es, dass Bob Dylan heute gut aufgelegt scheint und immer wieder über das ganze Gesicht strahlt. So haben wir ihn noch nie erlebt, und wir haben bereits einige seiner Konzerte besucht.
Nach „Goodbye Jimmy Reed“ und „Every Grain of Sand“ vom Album „Shot of Love“ aus dem Jahr 1981 ist nach gut zwei Stunden Schluss. Die Band versammelt sich in der Mitte der Bühne hinter Dylan, der ein letztes Mal seine Augen über das Publikum schweifen lässt und dann langsam von der Bühne verschwindet. Man hätte vielleicht bei einem anderen Künstler noch ein paar warme Worte erwarten können, aber heute sind wir nun mal bei Bob Dylan. Er hat abgeliefert, wofür man ihn in die Saarlandhalle gelockt hat: seine Musik. Diese hat er uns zwei Stunden lang präsentiert, und wir können sagen: Es war uns ein Fest, einen so legendären Musiker noch einmal live auf der Bühne erlebt zu haben.
Setlist: Bob Dylan – Saarlandhalle Saarbrücken 22.10.2024 – Rough and Rowdy Ways
All Along the Watchtower
It Ain’t Me, Babe
I Contain Multitudes
False Prophet
When I Paint My Masterpiece
Black Rider
My Own Version of You
To Be Alone With You
Crossing the Rubicon
Desolation Row
Key West (Philosopher Pirate)
It’s All Over Now, Baby Blue
I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You
Watching the River Flow
Mother of Muses
Goodbye Jimmy Reed
Every Grain of Sand
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